Eine konservative Branche wird digitalisiert
Welche Herausforderungen Digitalisierungsschritte in einer konservativen Branche, wie jene der Wasserkrafterzeugung, hervorrufen, wurde beim Stammtisch 4.0 bei der Ennskraftwerke AG am 8. April deutlich.
Gerhard Zettler (Vorstandsdirektor Ennskraftwerke AG), Fabian Polin, Michaela Steinparz, Walter Ortner (Geschäftsführer TIC Steyr), Martin Binder (Vorstandsdirektor Ennskraftwerke AG)
Fernwartung und Digitalisierung verändern die Möglichkeiten in der Wasserkrafterzeugung. Wurden früher die Turbinen einzeln von Hand gesteuert und die Leistungen auf telefonischen Zuruf eingestellt, funktioniert jetzt das meiste automatisch. Innerhalb weniger als zwei Minuten können Maschinen ans Netz gebracht werden und Energie liefern. Jede Turbine, jedes Kraftwerk ist ein Unikat. Da nicht jeder Anlagenteil der Maschinen immer zugänglich ist, müssen Wartungen und Revisionen genau geplant werden, um ungeplante Stillstände im Betrieb zu vermeiden. „Dies ist notwendig, weil alleine die Produktion einer neuen Turbine zwei Jahre beanspruchen würde und einen Stillstand von zwei Jahren können wir als Energielieferant nicht verantworten“, so Fabian Polin, Projektleiter für Maschinenbau bei der Ennskraftwerke AG.
„Im Turbinenschacht gibt es einfach kein Netz“
Papierchecklisten werden durch eine Sharepoint-Lösung ersetzt, mit dem Vorteil, dass periodische Instandhaltungsvorgänge nun besser erfasst werden können. Aber auch hier stehen die 14 Kraftwerke der Ennskraftwerke vor einer scheinbar banalen Herausforderung, denn ein flächendeckendes WLAN ist im Kraftwerk nicht möglich. „Im Turbinenschacht gibt es einfach kein Netz“, geht Polin ins Detail. Die digitale Automatisierung wird in Bereichen vorgenommen, wo geringe Fehlerzuschreibungen mit einer hohen Anzahl an Wiederholungen vorkommen. So wird beispielsweise das bisher wöchentlich ausgelesene Betriebsstundenzählgerüst über Digitalisierung automatisiert. Hinsichtlich der Optimierung im Organisationsablauf werden die MitarbeiterInnen einbezogen. „Wir stehen vor dem Problem der Überalterung und des Fachkräftemangels“, vermerkt technischer Vorstandsdirektor Gerhard Zettler, „weshalb wir gerne die Ideen unserer neuen MitarbeiterInnen aufgreifen.“
Kurzfristiges Denken ein Fremdwort
Kurzfristiges Denken ist in der Wasserkrafterzeugung ein Fremdwort. Die Lebensdauer der Maschinenkomponenten liegt bei 50+ Jahren. Um sicherzustellen, dass Informationen zu den einzelnen Maschinen auch über deren Lebensdauer hinweg an die nächsten MitarbeiterInnen weitergegeben werden, werden via QR-Code Fotodokumentationen automatisch den jeweiligen Anlagen zugeordnet. Eine 100prozentige Digitalisierung wird nicht stattfinden. „Niemand kann uns garantieren, dass die Computerprogramme die Bauteil- und Einzelteilpläne für die Turbinen in 50 Jahren noch öffnen können. Deshalb sichern wir uns hier auch analog ab, damit das Wissen auch in Zukunft noch da ist“, versichert Polin.